Toleranz

Bis 2010 präsentierten wir unsere Arbeiten noch regelmäßig auf Bodypainting-Wettbewerben und -Festivals. Mitte 2008 hatte unsere gemeinsame Arbeit begonnen, sich zu verändern. Der Wunsch, das Publikum zu berühren, es mitzunehmen auf eine Reise – und sei es auch nur wenige Minuten auf der Bühne – war gewachsen.

Die Ideen hinter den Bodypaintings wurden Hauptantrieb. Das visuelle Formulieren von Inhalten löste rein ästhetisch orientierte Umsetzungen ab. Die Wettbewerbsthemen nahmen wir nur noch als Anregung, um unser darin verborgenes eigentliches Thema zu finden.

Unsere Bodypainting-Kunst wurden vielschichtiger. Zusätzlich hatten wir mit Rames ein performanceerfahrenes Model gewonnen, das mit Choreografie und Musikschnitt eine neue Dramatik in die Bühnenpräsentation einbrachte.

Das folgende Werk entsprang einem Bodypainting-Wettbewerb in Venlo (NL) und hatte das Wettbewerbsthema „Holland“. Wir arbeiteten unser Thema „Toleranz“ heraus. Das Model trug eine Abformung seines Gesichtes auf dem Hinterkopf. Zahlreiche „Special Effects“ waren integriert.

Bodypainting-Kunst "Toleranz"
Toleranz (Bodypainting-Kunst: Michaela Zeng und André Link, Foto: T. Rupprecht, Bildbearbeitung: André Link)


Unser Text zum Bodypainting:

„Für uns ist Holland der Inbegriff einer toleranten Nation.
Natürlich sehen wir als Deutsche das auch im Gegensatz zur
eigenen Geschichte.

Die Rückseite steht für die deutsch-holländische Vergangenheit.
Anne Frank ist das Symbol der deutschen Vergangenheit. Sie ist das vielleicht namentlich bekannteste Opfer von nationalsozialistischem Haß und Intoleranz obwohl Holländer versuchten sie zu retten.

Deutschland schwankt heute zwischen Gedenken in Schmerz einerseits und Verdrängen und Vergessen andererseits. Die Erinnerungen an Millionen ausgelöschter Leben vergehen, wie alte Fotos oder Briefe, die zu Asche werden. Blutige Tränen auf einem für immer gezeichneten Gesicht waschen das Geschehene nicht weg.

Die Vorderseite zeigt unser Bild des toleranten Holland der Gegenwart. Als Symbolfigur steht hier Theo Van Gogh, der als holländischer Provokateur und Filmemacher den Toleranzbegriff künstlerisch hinterfragte und dafür von muslimischen Extremisten ermordet wurde.

Die ethnischen, religiösen und sozialen Einflüsse einer Gesellschaft wie Holland steigen wie bunte Funken auf und bilden Regenbogen. Aus Vielfalt entsteht Pracht. Inmitten der archetypischen Vertreter einer multikulturellen Gesellschaft wächst ein Rosenstrauch, als Symbol für die holländische Toleranz.

Seine reiche Schönheit und die scharfen Dornen verkörpern gemeinsamen Nutzen aber auch gegenseitige Verletzungen, die in einer lebendigen toleranten Gesellschaft immer existieren.”

Das Publikum reagierte auf unsere Darbietung in berührender Weise. Im Publikum saßen Menschen mit jüdischen Verwandten, denen das Dritte Reich noch stark im Bewußtsein war, die sich nach der Präsentation bei uns unter Tränen für unsere Arbeit bedankten.

Uns wurde klar, dass wir eine sehr seltene Erfahrung machen durften, dass wir einen Nerv getroffen hatten und – trotz unseres vorherigen Unbehagens – die richtigen Dinge gesagt und getan hatten. Vielleicht das Großartigste, das man mit Bodypainting-Kunst erleben kann …

Eine ausführliche Dokumentation zur Entstehung von „Toleranz“ finden Sie hier: http://www.farbtraeume.com/news_d_02.html